Fristverlängerung zur Einführung der CSRD-Berichtspflicht und EU-Taxonomie? – Mögliche Konsequenzen für Offenlegung, Strategien und Transformation

Fristverlängerung zur Einführung der CSRD-Berichtspflicht und EU-Taxonomie? 

Die Reform der Non-Financial-Reporting-Directive (NFRD) wird möglicherweise verschoben. Mit dem Aufschub würde auch die Pflicht zur Offenlegung nach EU-Taxonomie für zukünftig rund 15.000 nachhaltigkeitsberichtspflichtige mittelständische Unternehmen in Deutschland erst später kommen. Lesen Sie hier

➢ welche Fristverlängerungen im Gespräch sind,
➢ was dies für ihre Roadmap und Ressourcen bedeutet,
➢ warum es bei Offenlegung nicht nur um Compliance geht,
➢ welche strategischen Fragen sie sich stellen sollten,
➢ warum jetzt ein „Spielen auf Zeit“ riskant sein kann.

Wenn Sie zum Kreis der aktuellen oder künftigen Anwender gehören, möchte ich Sie auch mit diesem Post wieder herzlich zur Teilnahme in die LinkedIn-Gruppe „EU-Taxonomie“ einladen. Ein moderiertes Forum zum Erfahrungsaustausch exklusiv für EUT-Verantwortliche in Unternehmen: https://lnkd.in/ehtHeAsA

Die Reform der Non-Financial-Reporting-Directive (NFRD) wird möglicherweise verschoben. Mit dem Aufschub würde auch die Pflicht zur Offenlegung nach EU-Taxonomie für zukünftig rund 15.000 nachhaltigkeitsberichtspflichtige mittelständische Unternehmen in Deutschland erst später kommen. Der Vorschlag für eine Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die den Geltungsbereich der bisher geltenden Nonfinancial Reporting Directive (NFRD) erheblich ausweiten und diese inhaltlich ersetzen soll, muss noch durch die Instanzen.

Der ambitionierte Plan der EU, bereits 2024 große Unternehmen ab 250 Mitarbeitern im Jahresdurchschnitt mit einer Bilanzsumme > 20 Mio. EUR bzw. einem Umsatz > 40 Mio. EUR, unabhängig von der Kapitalmarktorientierung, in eine erheblich ausgeweitete Nachhaltigkeitsberichtspflicht einzubeziehen, bekommt Risse. Der Rat der Europäischen Union hat nun Änderungen im Kommissions-Entwurf für die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) vorgenommen. Diese Anpassungen betreffen im Wesentlichen die Berichtspflichten für KMU, die Prüfungsanforderungen, das elektronische Berichtsformat und insbesondere auch die Fristen zur Einführung von Berichtspflicht und Prüfung. Sollte die CSRD in der Form verabschiedet werden, hätten Unternehmen erst deutlich später als bislang vorgesehen über ihre Nachhaltigkeitsleistungen nach dieser Richtlinie zu berichten: 

  • Unternehmen, die bereits nach NFRD berichtspflichtig sind: Berichterstattung im Jahr 2025 über die Daten von 2024
  • Unternehmen ab 250 Mitarbeitern mit einer Bilanzsumme > 20 Mio. EUR bzw. einem Umsatz > 40 Mio. EUR, die derzeit noch nicht nach der NFRD berichten: Berichterstattung im Jahr 2026 über die Daten von 2025
  • Börsennotierte KMU sowie kleinere Kreditinstitute und firmeneigene Versicherungsunternehmen: Berichterstattung im Jahr 2027 über die Daten von 2026

Der Rat hat damit in seinem Meinungsbildungsprozess die Ansichten verschiedener Länder-Delegationen umgesetzt, die die Fristen als zu ehrgeizig eingeschätzt haben. Unternehmen sollten nach Ansicht des Rates ausreichend Zeit bekommen, um die Umsetzung vorzubereiten. 

Der geänderte Entwurf zur CSRD wird nun dem Europäischen Parlament zur Beratung übergeben. Ob dieses in erster Lesung die Directive annimmt oder es noch weitere Anpassungen geben wird, ist offen. Doch es deutet vieles darauf hin, dass die allgemeine Ausrichtung im Rat („general approach“), die sich in der Überarbeitung des Kommissionsentwurfes zeigt, wegweisend ist und zumindest eine teilweise Fristverschiebung zur Einführung der CSRD bedeuten wird.
Mit einer Verschiebung des Starts der CSRD um ein oder sogar zwei Jahre bekommt auch die parallele Entwicklung der globalen Mindeststandards des International Sustainability Standards Boards (ISSB) eine andere Dynamik. Bislang lag die europäische Standardentwicklung zeitlich deutlich vorne. Würde ihr Start verschoben, kämen die globalen Standards der ISSB womöglich schon vorher zum Tragen. Unabhängig von diesem zeitlichen „Wettlauf“ werden inzwischen Stimmen laut, die eine Übernahme der ISSB-Standards in Europa oder zumindest ein Alignment zwischen ISSB-Standards und den Standards der CSRD fordern, um Parallelwelten zu vermeiden.

Roadmap für die Erfüllung der Offenlegungspflichten im Mittelstand

In Nachhaltigkeits- und Finanzbereichen von Mittelständlern dürfte ein Aufschub der CSRD zu einem Aufatmen führen. Dort hatte sich erheblicher Druck aufgebaut, die mehrfachen und jeweils sehr komplexen Offenlegungspflichten vorzubereiten. Denn mit der CSRD geht auch die Einführung der Taxonomie-Berichtspflicht für große Unternehmen einher. Damit nicht genug, steht auch die Einführung des EU-Lieferkettengesetzes bevor, das ebenfalls viele Mittelständler betreffen wird.
Eine Fristverlängerung der CSRD würde helfen, die Umsetzung der komplexen Anforderungen mit einer strukturierten Roadmap und eigenen Ressourcen zu planen. Denn sowohl die Unternehmen als auch ihre Unternehmensberater und Wirtschaftsprüfer stehen angesichts des Neuigkeitsgrades und der Dynamik nationaler, europäischer und globaler Offenlegungspflichten bei vielen Themen an derselben Startlinie. Angesichts wegbrechender Märkte, stillgelegter Produktionsstandorte und unterbrochener Lieferketten in Osteuropa dürfte dies aktuell insbesondere bei mittelständischen Unternehmen für etwas Erleichterung sorgen.
Unternehmen, die bislang nicht berichtspflichtig waren, können jetzt beispielsweise zeitlich gestaffelt mit der Einführung beginnen, anstatt viele Aktivitäten mit sehr begrenzten personellen Ressourcen parallel zu managen. In der ersten Phase könnte ein Nachhaltigkeitsbericht mit fundierten Wesentlichkeitsanalysen nach gängigen Standards wie dem DNK oder der neuen GRI erstellt werden und im Folgejahr erstmals Offenlegung nach der EU-Taxonomie erfolgen. Beides könnte auf diese Weise freiwillige Probeläufe und entsprechende Lernprozesse im Unternehmen bekommen, bis das Gesetz verabschiedet ist.

Zukunftsfähige Geschäftsmodelle statt nur Compliance

Die potenziell gewonnene Zeit können Unternehmen nicht nur zur besseren und gestaffelten Vorbereitung auf die Umsetzung der Pflichten nutzen. Denn es geht bei der CSRD letztlich nur in zweiter Hinsicht um Reporting. Im Zentrum aller Überlegungen zur Einführung verschärfter Berichtspflichten steht das Ziel, die Wirtschaft mit Nachdruck für die Lösung der großen und dringenden Probleme unserer Zeit zu mobilisieren. Für Unternehmen ist dies vielmehr ein Thema der strategischen Ausrichtung als der Compliance. Denn im Rahmen der CSRD soll auch transparent werden, inwieweit Geschäftsmodelle helfen, das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen, Produkte kreislauffähig zu machen, Wasser, Land und Biodiversität zu schützen und soziale Missstände abzubauen. Vor diesem Hintergrund wird in den nächsten Jahren der Markt entscheiden, welche Geschäftsmodelle angesichts der wachsenden ökologischen und sozialen Probleme noch wettbewerbsfähig sind und welche nicht. Eine entsprechende Marktbereinigung nicht-nachhaltiger Geschäftspraktiken ist zu erwarten.

Falls noch nicht geschehen ist jetzt der Moment, das eigene Geschäftsmodell zu überprüfen und gegebenenfalls mit einer Transformation des Geschäfts in Richtung Nachhaltigkeit zu beginnen. Relevante Fragestellungen können sein:

  • Welche Geschäftsbereiche und Produkte passen nicht mehr in unser Portfolio, weil ihre negativen Auswirkungen in Zukunft zu teuer werden?
  • Wie können wir unsere gesamte Wertschöpfungskette resilienter gegenüber abrupten externen Veränderungen machen?
  • Welche Innovationen und Partnerschaften können wir anstoßen, um nicht nur innerhalb der geforderten Grenzwerte zu bleiben, sondern mit regenerativen Strategien positive Beiträge zur Lösung von ökologischen und sozialen Problemen zu leisten?
  • Inwieweit können wir mit unseren Kernkompetenzen anderen Unternehmen oder Marktteilnehmern helfen, selbst nachhaltiger zu werden – und damit an dem milliardenschweren Zukunftsmarkt für Nachhaltigkeitslösungen partizipieren?

Vorsicht beim „Spielen auf Zeit“ - der Markt entscheidet schnell und radikal

Abwarten auf das Eintreten neuer gesetzlicher Standards könnte in einer solchen Phase disruptiver sozio-ökologischer Veränderungen verhängnisvoll sein. Denn ökologische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen machen auch vor dem Hintergrund der Diskussionen in Brüssel, Berlin oder Frankfurt keine Pause. Dies zeigen Unternehmensbeispiele aus der Hausgeräteindustrie oder Medizintechnik, wo ein „Spielen auf Zeit“ nach einer Fristverlängerung für die Einführung neuer ökologischer und technischer Standards seitens der Gesetzgeber zu teils existenziellen Wettbewerbsnachteilen für einige Anbieter geführt haben. 
Die intensiven Bemühungen für mehr verbindliche Transparenz über die Nachhaltigkeits-Performance von Unternehmen werden anhalten und in Zukunft eher noch verschärft, je mehr sich ökologische und soziale Probleme im Alltag zeigen. Und der Markt entscheidet schnell und radikal. Solange sich nur einzelne Nachhaltigkeitsanforderungen der angebotenen Produkte und Dienstleistungen verändern, können Unternehmen mit inkrementellen Innovationen ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern. Stehen durch disruptive ökologische und soziale Entwicklungen im Umfeld allerdings grundlegende Geschäftslogiken auf dem Prüfstand, wie sich dies heute bereits in vielen Branchen abzeichnet, dann sind solche Produktanpassungen nicht mehr viel wert. In diesen Fällen muss die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells insgesamt geprüft und sichergestellt werden. Wer jetzt die Hände in den Schoß legt und erstmal abwartet, könnte morgen von den Markt-Entwicklungen abgehängt werden. 

Autoren: Prof. Dr. Thomas Wunder & Dr. Isabell Sprenger

Zitierweise: Wunder, T., Sprenger, I. (2022, 16 April): Fristverlängerung zur Einführung der CSRD-Berichtspflicht und EU-Taxonomie? Mögliche Konsequenzen für Offenlegung, Srategien und Transformation. LinkedIn Post, https://www.linkedin.com/pulse/fristverl%25C3%25A4ngerung-zur-einf%25C3%25BChrung-der-csrd-berichtspflicht-und-/?trackingId=bXQaPFJLqzyW6BTyztV9vQ%3D%3D (abgerufen am <Datum>)

Bildquelle: Europäisches Parlament, Frederic Köberl, Unsplash.